In einem der Tourismusbüros wurde uns der Honeymoon Lake Campground empfohlen und so beschlossen wir dort unser Glück zu versuchen. Wir hatten im reservierten Wabasso Campground nicht einmal unser Zelt aufgebaut, um schnell weg zu kommen. Und so waren wir früh genug dort und konnten uns sogar noch einen Platz aussuchen.
Nachdem das Zelt aufgebaut war, legten wir uns noch einmal kurz hin, weil die Nacht im Auto nicht so erholsam war, und schliefen für 3 Stunden!
So konnten wir an diesem Tag nur noch eine kleine Tour machen und entschieden uns zu den Sunwapta Falls zu fahren und die kurze Wanderung zu den Lower Sunwapta Falls zu machen.
Die Wasserfälle waren ganz ok anzuschauen und die Wanderung war gut, so haben wir uns wenigstens noch ein bisschen bewegt.
Im Anschluss machten wir noch einen kurzen Stop am Buck Lake, fast neben unserem Campingplatz.
Der See war nicht wirklich spannend, aber es war wahrscheinlich gut hier heraus zu fahren. Wenn wir das nicht gemacht hätten, wären wir vielleicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und in einem schlimmen Autounfall verwickelt worden. (Oder wir hätten es noch zum Campingplatz geschafft und nichts von alldem mitbekommen. Wer weiß...)
Aber so waren wir nun mal kurz hinter einem Autounfall und erlebten alles ziemlich nah mit. Der Autounfall war ziemlich schlimm und es sind mehrere Menschen gestorben. Mich beschäftigt das immer noch ständig und ich möchte es einfach mal aufschreiben. Wer das nicht lesen möchte, fängt jetzt lieber mit dem nächsten Eintrag an!
Kurz vor Honeymoon Lake, das Schild hatte gerade noch 1 km angezeigt, sahen wir dichten Rauch. Zuerst dachten wir, dass das ein Waldbrand ist und wurden erstmal langsamer. Als wir näher kamen, sahen wir, dass zwei Autos ineinerander gekracht sind und stark rauchten. Da drehte auch schon ein Auto vor uns um und fragte alle nach Handyempfang - aber niemand hatte Empfang, nicht einmal einen Notruf konnte man absetzen. Das Auto musste also ein ganzes Stück zurückfahren, um einen Notruf absetzen zu können. (Die Polizei wurde erst eine halbe Stunde nach dem Unfall informiert.) Wir stiegen also aus, um zu schauen, ob wir helfen konnten, trauten uns aber nicht schnell an die Autos heran. Als die ersten Menschen die Autos erreicht hatten, sahen wir, dass sie Personen aus den Autos zogen. Bis dahin dachte ich, dass die schon längst draußen waren. Während sie die Leute aus dem Auto zogen, fingen die Autos beide an zu brennen. So standen wir ein bisschen unschlüssig herum, trauten uns nicht wirklich näher heran und wollten doch irendwie helfen. Plötzlich schrie jemand, dass er fünf Personen zum Tragen braucht, um die Personen weiter von den Autos wegzubringen. Ich war zu spät, aber Reinhard half mit, eine Frau zu tragen. Zum Glück war eine der Helferinnen eine Ärztin oder so und hatte sämtliches medizinisches Equipment dabei. Ihre Aussage ließ mich erst wirklich realisieren, wie ernst es war: "Wie geht es den anderen? Ich habe nur ein ... und ich muss entscheiden, wem ich das geben soll. Die Frau vor mir sieht nicht so aus, als würde sie es schaffen." Irgendwann kam ein Helfer mit einem kleinen Feuerlöscher, den er im Auto hatte und versuchte das Feuer an einem Auto zu löschen, da dort anscheinend noch eine Person drin war. Er musste aber bald aufgeben, da sein Feuerlöscher leer war; die Person aber noch immer drin... Drei Erwachsene wurden aus dem einen Auto gerettet und ein Baby, vielleicht ein Jahr alt. Eine Frau kümmerte sich um das Baby, versuchte, es mit Liedern abzulenken, war aber selber immer wieder den Tränen nahe. Aus dem zweiten Auto, es lag auf der Seite, hatte ich nicht sehen können, ob Personen gerettet wurden, und inzwischen waren beide Autos vollkommen in Brand. Auch der Randstreifen fing langsam Feuer und mehrere Menschen mit Feuerlöschern, stellten sich zwischen Autos und Wald, um ein Übergreifen zu verhindern. Da wir nicht mehr helfen konnten, inzwischen waren noch viele weitere Sanitäter gekommmen, gingen wir ein Stück zurück. Ganz bis zu unserem Auto wollte ich aber auch nicht, irgendwie konnte ich da noch nicht weg. Also setzten wir uns an den Straßenrand und warteten auf Krankenwagen und Feuerwehr. Erst eine Stunde später kamen sie. Zunächst nur ein Pickup und kurz darauf weitere Fahrzeuge. Wir haben zwar nicht mehr alles gesehen, aber es fühlte sich immer noch ewig an, bis sie schließlich bei den Verletzten auf unserer Seite des Unfalls angekommen waren. Die Autos löschten sie sowohl vom Boden aus, als auch mit einem Hubschrauber, der Wasser aus dem Honeymoon Lake holte und über den Autos ausschüttete. Es ging recht schnell, bis sie die Autos gelöscht hatten, aber es war auch nur noch das Gerüst vorhanden. Die Autos waren beide vollkommen ausgebrannt. Und wir wussten immer noch nicht, ob noch Personen in einem oder beiden Autos drin waren.
Als die Feuerwehr dann langsam alles unter Kontrolle hatte, kamen sie zu uns und erklärten uns, dass die Straße nun für mindestens 12 Stunden gesperrt sein würde. Und wir waren etwa 500 m vom Campingplatz entfernt, aber durften nicht durch. Nach einigem Hin- und Herüberlegen, ob wir wohl auf dem Highway noch eine Nacht im Auto verbringen sollten, entschieden wir uns dazu, zurück zum Buck Lake zu fahren und dort auf dem Parkplatz zu übernachten. Als wir dort angekommen waren, füllte sich der kleine Parkplatz sehr schnell, aber wir bekamen noch einen Platz. Die beiden Familien neben uns bauten schon ein riesiges Zelt auf und luden alle zu sich zum Essen ein. Auf dem Parkplatz kamen wir auch in Kontakt zu einer belgischen Familie, die zu viert nicht im Auto schlafen wollten/konnten und unbedingt zum nächsten Zeltplatz (Honeymoon Lake) wollten, der ja schließlich nur einen Kilometer entfernt war. Wir erklärten ihnen, dass wir dort unseren Zeltplatz hatten, aber nicht durchgelassen wurden. So entstand irgendwie die Idee, dorthin zu wandern (es gab aber keinen ausgeschriebenen Weg) und sie mit auf unseren Platz zu lassen. Groß genug sind die Plätze schließlich. So machten sich die Eltern und Reinhard auf die Suche, um einen Weg zum Campingplatz zu finden. Als sie gerade zurückkamen (nicht wirklich erfolgreich), hörte ich, wie eine weitere Frau erzählte, dass sie dorthin wandern würden. Allerdings einfach die Straße entlang und kurz vor dem Unfall in den Wald rein und parallel zur Straße weiter. Sie klang ziemlich überzeugend und so schlossen wir uns alle zusammen. An der Straße wurden wir jedoch von den Feuerwehrmännern aufgehalten und sollten warten, bis der Hubschrauber wieder weggeflogen ist. Dann würde er uns am Unfall vorbei führen. Wir sollten nicht hinschauen, aber dennoch hat man die zugedeckten Leichen gesehen. Eine auf unserer Seite (die Frau, die es nicht schaffen würde) und zwei auf der anderen (immerhin haben sie sie scheinbar aus dem Auto ziehen können). Reinhard hatte trotz Anweisungen einen kurzen Blick auf die Autos riskiert, konnte allerdings keine menschlichen Überreste identifizieren.
Am Zeltplatz angekommen, bauten die Belgier ihr Zelt auf und wir aßen gemeinsam Abendessen. Es war eine wirklich nette und offene Familie: Paul, Laurance, Emma (16) und Gill (14). Und so waren wir alle am Abend abgelenkt. Am Abend zeigten sie uns Fotos von einem Schwarzbären, der anscheinend direkt am Unfallort vorbeigelaufen war. (Auch der Feuerwehrmann hatte ihn gesehen!) Nur wir natürlich nicht und so mussten wir uns mit Fotos begnügen.
Nachtrag: In den Nachrichten steht, dass 6 Personen bei dem Unfall vor Ort gestorben sind. 2 aus "unserem" Auto und alle vier Personen aus dem zweiten Auto. Also war bei uns wirklich noch einer im Auto drin, den keiner mehr rausholen konnte... In Kanada werden auch immer die Namen und das Alter der Opfer bekannt gegeben. Es war eine Familie aus den USA. Die Eltern mit ihrer Tochter, deren Mann und dem kleinen Sohn. Der Ehemann der Tochter und die Mutter sind gestorben und die Tochter wurde in kritischer Verfassung ins Krankenhaus geflogen. Da im anderen Auto niemand überlebt hatte, war die Indentifikation ziemlich schwer. Anscheinend waren es vier Inder, die in Jasper gearbeitet haben. Ein weiteres Auto ist in den Graben gefahren, um den Autos auszuweichen, und hat sich überschlagen. Die beiden Personen haben aber nur leichte Verletzungen erlitten.